Meldungen aus dem Landesverband Hamburg
Meldungen aus dem Landesverband Hamburg

„Konntest du wenigstens Heiligabend eine Stunde im Kreise deiner Kameraden in friedlicher Ruhe zusammen sein?“

Landesverband Hamburg

Das Jahr neigt langsam dem Ende zu. Voller Erwartungen blicken wir auf das Jahr 2023. Wir bedanken uns bei allen, die den Volksbund unterstützen. Der Landesverband Hamburg wünscht Ihnen allen frohe Festtage und ein friedvolles Zusammensein.

Weihnachten vor 78 Jahren sah leider noch ganz anders aus, voller Sorge, Angst und Ungewissheit. Vor einigen Wochen erhielten wir mehrere alte Briefe, geschrieben in den Weihnachtstagen des Jahres 1944. Heute können wir das Privileg, in Frieden zu leben, nur wertschätzen. Die Geschichte dieser Briefe wollen wir hier erzählen.

„Der Friede der Welt beginnt in den Herzen der Menschen.“

Karl Jaspers

Hamburg, Wilhelmsburg 1944, wenige Tage vor Heiligabend. Ein persönlicher Brief, der nie angekommen ist: Hildegart Burghardt schrieb für ihren Ehemann, Wilhelm Burghardt, aber lieber Peter genannt, einen Antwortbrief. Dabei ahnte sie nicht, dass es der letzte Brief sein würde ,,Hoffentlich bringt uns das Jahr den langersehnten Frieden, damit du immer bei uns bleiben darfst.“ Zugleich erläuterte sie die derzeitige Situation daheim ,,ich selbst bekomme auch kaum schlaf“, aber auch über die kleine gemeinsame Tochter, Edda „Eddalein fühlt sich gar nicht wohl, sie schreit viel, sie hat schmerzen an den Ohren“ und „Sie ist lange nicht mehr unser lebendig springender Spatz“. Tragischerweise wurde der Brief mit einem kurzen Kommentar „gefallen am 24.12.1944“ ungeöffnet zurückgesendet. Als dieser Brief ankam, war Hildegard selbst leider schon nach einer schweren Infektion verstorben. Sie wurde nur 28 Jahre alt. Die gemeinsame Tochter wuchs bei den Großeltern auf. Die Tochter, Edda, bekam erst Jahre später den Brief von ihrer Großmutter, der für den geliebten Vater bestimmt war und den sie schrecklich vermisst hatte ,,Warum kommt mein Pappi denn nicht“.

Heute ist dieser Brief ein tragisches Zeitzeugins und wir haben dank der Freundin von Edda die Ehre, so einen persönlichen Brief entgegenzunehmen. Edda selbst lebt seit über 50 Jahren in Madrid.

Heiligabend, 17:20 1944

Mein herzensguter Peter,
nun ist der Tag gekommen, worauf ich mich so gefreut habe. Aber recht traurig bin ich nun, weil du nicht bei uns bist. Einen Trost habe ich, denn heute zum Heiligabend kamen deine Weihnachtsgrüße an, es war eine kleine Freude für mich. Eddalein sitzt mit erwartungsvollen Augen in der Stube, um 6 Uhr kommt noch ein richtiger Weihnachtsmann. Ich bin nur gespannt, was Eddalein dazu sagt. Am Abend war der Weihnachtsmann da, Peterle die Augen? Der Weihnachtsmann hat viele Sachen gebracht, einen Puppenschlafstube, eine Puppenküche, ein Hampelmann und noch viele andere Sachen. Mensch warum kannst du nicht dabei sein, wie sich auch unser Spatz freut. Es ist schade, dass du es nicht erleben darfst, vielleicht im nächsten Jahr. Wie es meinem Peter wohl in dieser Stunde geht, hoffentlich hast du eine kleine Weihnachtsfreude, dadurch, dass mein Päckchen zur rechten Zeit angekommen ist und dass du Post von mir hast. Mit all meinen Gedanken bin ich heute ganz besonders bei dir. Hoffentlich gibt es heute keinen Alarm, in Westdeutschland ist die Saubombe doch weiter. Gerdi mit Eltern, Grete Wohle, Opa Fischer sind da. So sind wir doch nicht ganz allein. Unsere Eddalein ist emsig beim Packen.

1. Weihnachtstag 1944

Mein lieber Mensch,
Heute ist nun der 1. Weihnachtstag. Eddalein fühlt sich gar nicht wohl, sie schreit viel, sie hat schmerzen an ihren Ohren. Gleich nach dem Fest gehe ich zu einem Spezialarzt, ich glaube, dass es besser ist. Ich mache mir große Sorgen um sie. Sie ist lange nicht mehr unser lebendig springender Spatz, seit 4 Wochen kränkelt sie immer herum. Abends war ich eine viertel Stunde, mit ihr draußen in der Sonne, nun habe ich tropfen in die Ohren geträufelt, es scheint nun, dass sie ein wenig schläft. Nachts bekommt sie kaum schlaf. Gerdi und ihre Mutter haben die Nacht heute hier geschlafen. Ich habe nun meinen freien Tag, ich habe in unserer Stube geheizt und mache es mir ein wenig gemütlich, so gut es eben geht. Wenn Putschi ausgeschlafen hat, spiele ich mit ihr mit ihrer Puppenstube, das bereitet ihr große Freude. In ihrer Puppenküche steht doch ein Herd, den wir selbst gebastelt haben, auch kocht sie immer essen für ihre Puppen. Als wir sie gestern ins Bett legten, meinte sie wir sollten ihr die Puppenstube auf ihren Bauch stellen, das täte ihr nicht weh. Wir mussten herzkräftig darüber lachen. Wenn nur Putschi bald wieder gesund wird, dann bin ich glücklich. Ich selbst bekomme auch kaum schlaf. Sie hat die schmerzen nicht dauert, es ist zeitweise, wenn sie keine Schmerzen hat, dann fühlt sie sich ganz gut. Essen, Essen, daran hapert es noch sehr. Sie ist sehr zusammen geklappt. Aber Kinder erholen sich schnell wieder.

Heute ist ein herrlicher Tag, klares Frostwetter. Was mein Peter wohl heute macht, wie mag es dir gehen? Konntest du wenigstens Heiligabend eine Stunde in Kreis der Kameraden in friedlicher Ruhe zusammen sein? Mensch ich mache mir große Sorgen und viel Gedanken um dich. Wenn ich nur erst wüsste, wo du wärest. Für heute herzinnigst und tausendmal geküsst von deinem Frauchen, Putschi und Omi.

2. Weihnachtstag 1944

Mein lieber Mensch,
Heute am 2. Weihnachtstag auch einen kleinen Gruß. Wir haben das Fest ohne besondere Ereignisse verlebt. Still und ruhig ist das Fest vorübergegangen. Eddalein hat sich heute wohler gefühlt, sie schläft schon 2 Std. ohne aufzuwachen, das bedeutet schon sehr viel. Wir haben gestern Abend und auch heute immer warme Kamillenbeutel auf die Ohren gelegt, es ist sehr gut, vor allen Dingen lindert es die Schmerzen. Heute fragte sie, warum kommt mein Pappi denn nicht. Putschi und ich, wir haben so ein großes Heimweh nach unserem Pappi-Peter. Bei uns ist es sehr kalt, der Winter kommt mit aller Gewalt. Mensch- Peterle hoffentlich bekomme ich recht bald Post, damit ich weiß, dass es dir gut geht und damit ich weiß, wo du bist. Unsere Putschi schreit, ich muss schnell einmal hin. Wir haben wieder warme Beutel auf die Ohren gelegt. Peterle, der Weihnachtsgruß von dir war am 16.12 geschrieben und am 22.12 abgestempelt und am 24.12 war er schon hier. Von wo mag der Brief nur gekommen sein, von weit her doch sicher nicht. Nun beginnen wir bald das Jahr 1945, hoffentlich bringt uns das Jahr den langersehnten Frieden, damit du immer bei uns bleiben darfst. Ich wünsche dir ein frohes und glückliches Jahr. Vor allem, dass du recht schön gesund bleibst und glücklich zu uns zurückkehrst.
Wir grüßen unseren Pappi von innigstem Herzen. Deine Frauchen, Eddalein und Omi.

 

Text: Jessica Gerzen