Nadine Weiß - Rede anlässlich des Volkstrauertages 2020
Nadine Weiß:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke meinen Vorrednern. Wir sind heute hier, um zu erinnern, gedenken und zu trauern. Ich möchte mich herzlich für die Möglichkeit bedanken, heute vor Ihnen sprechen zu dürfen. Es ist mir eine große Ehre.
Mein Name ist Nadine Weiß und ich verkörpere verschiedene Rollen. Das Offensichtlichste: Ich bin Soldat. Um genau zu sein, bin ich Offizier der deutschen Luftwaffe. Außerdem bin ich Studierende an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr. Allerding bin ich ebenso eine junge Frau und ehemalige Praktikantin des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Hamburg.
Durch diese Rollen, die ich heute innehabe, fällt mir diese Rede heute besonders schwer. In den Medien tauchten in jüngster Vergangenheit mehrfach Schlagzeilen auf, die einen Zusammenhang zwischen der Bundeswehr und der rechten Gesinnung herstellten. Von dieser Gesinnung möchte ich mich bewusst distanzieren.
Ich möchte Ihnen ein Zitat von Konrad Adenauer, dem ersten Bundeskanzler unserer Bundesrepublik vortragen:
„Demokratie ist mehr als eine parlamentarische Regierungsform, sie ist eine Weltanschauung, die wurzelt in der Auffassung von der Würde, dem Werte und den unveräußerlichen Rechten eines jeden einzelnen Menschen. Eine echte Demokratie muß diese unveräußerlichen Rechte und den Wert eines jeden einzelnen Menschen achten im staatlichen, im wirtschaftlichen und kulturellen Leben. Wer wirklich demokratisch denkt, muß Achtung vor dem anderen, vor dessen ehrlichem Wollen und Streben haben.“
Der 75zigste Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkriegs hat auch für mich persönlich eine tiefgreifende Bedeutung. Ich bin 1998 in Deutschland geboren, in einem Deutschland, in dem die Freiheit, Gleichheit und Einigkeit das Fundament der Demokratie bilden. Ich habe weder den Ersten noch den Zweiten Weltkrieg erlebt, auch nicht die Teilung Deutschlands in die Bundesrepublik und die DDR.
Ich wurde in ein vielfältiges und buntes Deutschland hineingeboren und trotz allem lebt die Erinnerung an die Weltkriege in Erzählungen und Gedenken in meiner Weltwahrnehmung weiter. Dies ist mir eine Herzensangelegenheit und ich vertrete felsenfest die Überzeugung, dass die Gestorbenen der beiden Weltkriege nicht in Vergessenheit geraten dürfen.
Es existieren zahlreiche Zeitzeugenberichte, die die Schrecken des Zweiten Weltkrieges für die Nachwelt nachvollziehbar schildern. Ebenso ergeht es uns mit dem Ersten Weltkrieg. In den beiden Kriegen verloren Millionen Menschen verschiedener Nationalitäten und Konfessionen ihr Leben.
Viele Familien wurden auseinandergerissen. Auch meine Familie musste den Schmerz des Verlusts eines geliebten Menschen verarbeiten. Mein Großonkel starb 1942 in Ägypten im Alter von gerade einmal 19 Jahren. Dieser Verlust eines viel zu jungen Menschen prägt meine Familie bis heute.
Nicht nur Soldaten, sondern auch unvorstellbar viele Zivilisten fielen den beiden Weltkriegen zum Opfer. Man denke da an die Bombardierungen von London, Hamburg und Hiroshima. Im militärischen Sinne gelten Verdun und Stalingrad als signifikant. Millionen von Menschen wurden Opfer von staatlicher Gewalt. Unzählige dieser Menschen gelten bis heute noch als vermisst oder wurden noch nicht auf angemessenen Grabstätten zur letzten Ruhe gebettet. Unsere Aufgabe ist es auch heute noch diese Menschen zu würdigen, denn ihre Leben waren kostbar und sollten mit dem nötigen Respekt behandelt werden. Die Aufgabe des Gedenkens ist heute immer noch von größter Wichtigkeit.
Nicht zu vergessen ist: Wir sind alle Menschen. Und als solche sollten alle Opfer, egal welcher Nationalität oder Religion sie angehörten, behandelt werden. Nicht umsonst heißt es in unserem Grundgesetzt schon im ersten Artikel:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (…)“
Aber die bereits genannten Werte Freiheit, Gleichheit und Einigkeit sind auch in Deutschland gefährdet. Verbrechen aus Fremdenhass kann man leider nicht von der Hand weisen. Im Kalenderjahr 2020 mussten wir mit großem Erschrecken nach Hanau aber auch nach Hamburg schauen. Im Jahr davor nach Halle.
Die Taten resultieren aus Vorurteilen und Fremdenhass. Das ist falsch. Die Bundesrepublik Deutschland zeichnet sich durch eine kulturelle Vielfältigkeit aus, die als solches nicht zerstört werden darf. Unser Grundgesetz und unser moralischer Kompass geben uns vor in Frieden und Freiheit miteinander zu leben. Die Würde dieser Menschen wurde vorsätzlich missachtet. So etwas darf nicht geschehen. So etwas darf nicht noch einmal geschehen.
Die Zerstörung durch die Weltkriege hat gezeigt, wozu der Mensch imstande ist. Unsägliche Grausamkeit und Menschenverachtung.
Heute gibt es die Europäische Union, die Europa zu einem weltoffenen Ort macht. Integration, Innovation und der Friedensschutz sind europäische Grundwerte und Ziele. Es ist die Pflicht eines Jeden, diese zu schützen. Diese Aufgabe muss gemeinsam angegangen werden. Denn es darf nie wieder so etwas geschehen wie 1914 und 1933. Es liegt an jedem Einzelnen. Dafür müssen wir alle gemeinsam einstehen. Vielen Dank.